Mysterium
Von Torben Weschen
Der Ausflug in das Umland von Bremen sollte gespickt sein von Mysterien und Aberglaube. Der Name des Gegners passte da ganz gut ins Bild. Die Oyten Vampires wollten unseren Mädels zwar kein Blut (so hoffen wir wenigstens), aber die Punkte abnehmen. Doch nicht nur um einen solchen Namen gibt es viele Geschichte zu erzählen, auch ihre Ergebnisse scheinen manchmal nicht mit rechten Dingen zugegangen sein können. Mal als Außenseiter hoch gewonnen, mal als Favorit klar verloren. Also erwartete die Golden Girls eine Reise ins Ungewisse. Um Geschehnisse aus der Schattenwelt abzuhalten oder einfach nur um die eigenen Nerven zu beruhigen, greift man dann halt auf den Aberglauben zurück. Manche ziehen immer die gleichen Socken zu den Spielen an und andere nehmen ein Armband einfach nicht mehr ab. Egal wie skurril. Hauptsache es hilft. Vielleicht hätte auch Knoblauch geholfen, da es schon um den Start der Anreise jede Menge Probleme gab. Der Vereinsbus, erst nicht da, dann nicht betankt und die Spielerinnen auch alle nicht am richtigen Treffpunkt. Man konnte schon fast fremde Mächte am Werk vermuten. Da kein Knollengewächs zur Hand, wird versucht, mit ausgezogenen Schuhen das Schicksal zu beeinflussen. Hilft mit Sicherheit nicht, scheint aber bequemer zu sein. Endlich losgefahren läuft auch alles. Gott sei Dank läuft nicht alles, da es unterwegs keine Pipipause gibt. Das Gequengel auf der hintersten Bank nimmt stetig zu. Auch die Versicherung, dass eine Blase nicht so schnell platzen kann, beruhigt nicht wirklich. Wenig hilfreich ist auch nicht das Verfahren kurz vor dem Ende der Fahrt und die Hügel zur Verkehrsberuhigung tragen nicht bei allen im Auto zu Belustigung bei. Aber nichts platzt und die sanitären Anlagen vor Ort können für Abhilfe sorgen. Die Spione in der Halle berichten davon, dass auch die Upire (wie Vampire in manchen Ländern genannt werden) mit einem Sieg auch noch Ambitionen auf ganz oben anmelden wollen. So was hören wir ja gar nicht gerne, aber ganz so sicher sind wir vor dem Spiel nicht. Ist auch gut so. Hochnäsigkeit wurde schon des Öfteren bestraft. Die letzten Minuten der männliche B-Vampire werden noch beobachtet und dann geht es auch schon in die Kabine und zum Aufwärmen. Zum Spiel geht es fast in Bestbesetzung. Leni wechselt kurzfristig noch vom Spielbogen zu den Offiziellen auf die Bank. Noch nicht ganz fit nach einer Erkältung soll sie geschont und nur im Notfall zum Einsatz kommen. Hat in der Konstellation einen kleinen Vorteil für die B II. Lorena ist auch zu Hause geblieben, aber dafür ist der Schiedsrichter ein alter Bekannter. Er hat uns bereits in Arsten gepfiffen. Hmm, wirken hier unheimliche Mächte? Dort haben wir schließlich verloren. Immerhin ist auf der Tribüne kein Graf Dracul zu sehen aber dafür durchaus einschüchternde Vampire auf der Platte. Sieht nicht schlecht aus, was sie so zum Aufwärmen zeigen. Aber das war ja noch nie unsere Stärke. Was zählt, ist auf der Platte und dahin wechseln wir jetzt auch.
Souverän sieht nach vorne erstmal anders aus. Aber die Abwehr steht. Und wer steht dahinter? Jolina. Sie fängt gleich die ersten beiden Würfe ab und da ist es egal, dass auch unser erster Wurf nicht trifft. Lange zwei Minuten dauert es, als der Ball zum ersten Mal sein Ziel trifft. Schön, dass er nicht in unserem Tor landet, sondern im heimischen. Was auf unserer Seite dann für Ruhe sorgt, lässt die Nervosität auf der anderen Seite ansteigen. Noch dazu wird die „Wennigser-Mauer“ in Windeseile „hochgezogen“. In den Geschichten und Sagen heißt es, dass Vampire nur ein Haus betreten dürfen, wenn sie eingeladen werden. Und in unser Tor lädt sie keiner ein. Sie versuchen ihr Bestes, die Bewegungen sind fließend und sie machen auch Druck. Aber es ist kein Durchkommen. Unsere Abwehr steht. Nach vorne geht es ab. Das macht richtig Spaß. Die Angriffe werden schön vorbereitet und ebenso abgeschlossen. Bis Minute fünf konnten wir uns schon auf 4-0 absetzen und die Überlegenheit ist in dieser Phase so deutlich, dass sich die gegnerische Trainerin schon früh zu einer Auszeit genötigt sieht. Nach knapp fünf Minuten. Chapeau Golden Girls. Jolina fischt zwei weitere Bälle weg und hätte auch einen 7-Meter gehalten, wenn er nicht wegen eines technischen Fehler bei der Ausführung abgepfiffen worden wäre. Jaja, Jolina klagt früh am Tag noch darüber, dass der Tag bestimmt mies werden wird, aber hat bis Minute 10 noch keinen Treffer kassiert. Wir hingegen legen noch zwei weitere ob drauf und als der Ball nach 10:19 zum ersten Mal hinter Jolina im Netzt zappelt, ist die Erleichterung in Oyten deutlich spürbar. Ändert aber nichts am Spiel. Jolinas großer Traum von 100% ist zwar (in diesem Spiel) geplatzt, aber noch liegt sie bei 80%. Auch die gegnerischen Torhüterinnen (es gibt zwei in diesem Spiel) erweisen sich durchaus als Könnerinnen ihres Fachs, aber die Würfe sind einfach zu gut und zu viel. Es steht also nach 10 Minuten 6-1 für uns. Geiler Auftakt, aber noch ist nichts entschieden. Man sieht zwar schon, dass Oyten arg nervös ist, aber fünf Tore sind im Handball nun mal schnell aufgeholt. Doch momentan ist die Truppe einfach umwerfend. Sie überrollen den Gegner einfach. Wir haben so viel Hochachtung vor diesem Gegner gehabt, lassen sie aber nicht ins Spiel kommen. Es erinnert mich an das Auswärtsspiel letztes Jahr in Sehnde (sorry Vanessa). Auch dort kamen wir mit mächtig Respekt an, haben aber eine überragende Partie abgeliefert. Und zumindest bis jetzt sieht es hier ähnlich aus. Die nächsten fünf Minuten erzielen wir weitere vier Tore und führen mit 10-1 nach 15 Minuten. Gegen Oyten. Kann mich jemand kneifen? Dann kassieren wir zwar ein Tor in Unterzahl aber einen 7-Meter verwerfen die Vampires. Der Respekt vor Jolina scheint mittlerweile so groß, dass zu genau gezielt wird. Der Ball geht am Tor vorbei. Die Golden Girls sind mittlerweile völlig berauscht vom eigenen Spiel und wahrscheinlich kneifen sie sich gegenseitig auf der Platte. Nun wird es zwar etwas ausgeglichener, aber dichter als -7 kommt Oyten nicht heran. Bemerkenswert ist aber, dass Oyten in den letzten 10 Minuten der ersten Halbzeit sechs Tore werfen kann und in den ersten 15 Minuten nur eins erzielt haben. Sie scheinen sich ein wenig vom ersten Schock erholt zu haben und agieren jetzt immerhin auf Augenhöhe. Auf jeden Fall können sie ihre Abschlussquote signifikant erhöhen. Während Jolina in den ersten 10 Minuten, wie gesagt, keinen Treffer kassiert hat, dauert es dann bis zur 23 Minute, bis sie wieder einen hält. Dazwischen das „HOCHlein“ der Vampires. Komisch, ich habe zum Ende der ersten Halbzeit tatsächlich das Gefühl gehabt, der Vorsprung ist geringer geworden, aber als das Signal zur Pause ertönt, bin ich erstaunt. 16-7 für uns. Tatsächlich doch 9 Tore Vorsprung.
Was würde Kerze sagen? „Freut euch“! Was für eine Halbzeit. So richtig scheint die Leistung noch nicht in den Köpfen und die Freude nicht in den Gesichtern angekommen zu sein. Oder ist es ein wenig Erschöpfung? Vollgashandball kostet Kraft. Aber nach den ersten Worten von Oberkritiker Sven, geht auch langsam die Sonne auf im Gesicht der Mädels. Die lobenden Worten haben sie sich verdient. Natürlich kommen auch mahnende hinterher. +9 ist überragend, aber er will trotzdem Vorsicht walten lassen. Den Rest der Worte bekomme ich schon gar nicht mehr mit. Ein wenig schade ist, dass Hannah raus musste, weil sie Schwindelgefühle hat. Sie wird für den Rest genauso geschont wie Leni. Heute muss wohl niemand auf die Zähne beißen. Ich geselle mich raus zu Familie Schäfer, den Edelfans aus Sehnde. Der Kaffee schmeckt, die Truppe führt, was kann man mehr von einem Samstagnachmittag verlangen.
Verlangen kann man es nicht, aber es wird geboten. Neomi zeigt wieder ihren schönen Böhm-Trick bei dem man einen Sprungwurf vortäuscht, aber letztendlich doch noch ein paar Schritte gehen kann und dann, zumindest in diesem Falle, ein Tor erzielt. Schon hohe Kunst und nicht einfach. Das geht ja gut los. Oyten will dagegenhalten und schafft das 8-17 nach 27 Minuten. Was die Golden Girls dann aber wieder auf die Platte bringen, kann man eigentlich nicht in Worte fassen. So etwas kann man gegen klassentiefere Mannschaften erwarten, aber nicht gegen gleichwertige. Zumindest trennten uns vor dieser Partie ganze zwei Minuspunkte in der Tabelle. Auf der Platte sind es tatsächlich schon fast Welten. Jolina wird größer und größer im Tor. Die nächsten sechs Minuten beißen sich die Vampires ihre scharfen Eckzähne an ihr aus und vorne scheint es, als wäre der Ball mit Knoblauch eingerieben. In der Zeit von Minute 27-33 gelingt ein 8-0 Lauf und ein Tor ist schöner als das andere. Ob Kreis, Außen oder Rückraum. Hier ist für jeden etwas dabei. Als Jolina dann mal wieder überwunden wird, ist es ein 7-Meter zum Stand von 9-25. Was dieses Mal auch auffällt, ist die gedankliche Schnelligkeit bei Abprallern. Wir haben zwei Fehlwürfe hintereinander, aber bei Bälle landen wieder bei uns und der dritte Versuch zappelt im Netz. Mir ist unsere Überlegenheit schon fast unangenehm, aber ich bin so begeistert, dass ich jede Parade und jedes Tor laut bejubele. Die Schultern des Heimteams sind ein wenig nach unten gegangen und wer will es ihnen verdenken. Nach zwei weiteren Treffern von uns, schaffen die Vampires auch endlich wieder ein Feldtor. 10-27 nach knapp 35 Minuten. Nach drei weiteren Minuten steht es dann +19. +19? +19! In Worten: plus Neunzehn!!! Mittlerweile kann ich nur noch mit dem Kopf schütteln. Nun werfen wir ein paar Fahrkarten und Oyten kann zwei Treffer in Folge erzielen. Frech wäre zu behaupten, dass es nur ist, weil keine einen Kuchen zum 30. Treffer backen will. Nein, Oyten spielt ja auch kein Hallenhalma hat halt nur Pech, dass bei uns heute alles gelingt. Bezeichnend dafür ist, dass wir sogar ein Überzahlspiel mit 2-0 abschließen und dass, obwohl wir in dieser Zeit noch einen 7-Meter verwerfen. Nach 41 Minuten ist es endlich so weit. Kaffee und Kuchen Zeit. Lotti trifft zum 30-12 und bekommt die Bäckermütze aufgesetzt. Wir freuen uns auf Dienstag. Ein wenig lassen jetzt auch die Kräfte auf beiden Seiten nach. Das Spiel ist jetzt wieder recht ausgeglichen und Tore fallen auf beiden Seiten. Einen kleinen Schreckmoment durchlebe ich noch, als Jolina ihr eines Hosenbein hochkrempelt und man dass Blut sieht, welches vom Knie herabläuft. Ist eine alte Wunde, die sich wieder geöffnet hat. Sehe ich da etwa ein Blitzen in den Augen der Vampires? Ist bestimmt eine Sinnestäuschung gewesen. Auch das blutende Bein hält Jolina natürlich nicht von weiteren Paraden ab und den Schlusspunkt in dieser Partie kann Vanessa ein paar Sekunden vor Schluss setzen. 34-15.
Tja, was soll man dazu sagen? Auch zwei Tage später bin ich noch voll begeistert. Das Beste an dem Spiel ist, dass man keine Spielerin hervorheben kann. Das war einfach eine Mannschaftsleistung, wie man sie sich als Trainer wünscht. So toll teilweise die persönlichen Leistungen waren, die Mannschaft war der Star (neben dem Co-Trainer halt). Direkt nach dem Spiel bedanke ich mit beim Kampfgericht und nehme die Glückwünsche entgegen. Als ich unsere Unsicherheit von vor dem Spiel erwähne, glauben sie mir nicht wirklich. Natürlich nicht. Aber ich meine es ernst. Mit dieser Leistung haben wir nicht gerechnet. Leid haben mir ein wenig die beiden gegnerischen Torhüterinnen getan. Auch das hört sich komisch an, aber sie haben gut und auch recht viel gehalten. Aber es waren wirklich viele Würfe. Und sie waren gut. Wir freuen uns und die Mädels können ihre Leistung wirklich feiern. Sie dürften mit dieser Leistung jeden neutralen Fan auf ihre Seite gezogen haben. Mich würde nicht wundern, wenn uns Zuschauer aus Oyten beim nächsten Heimspiel besuchen. Der Schiedsrichter hat auf jeden Fall geschaut, ob er nicht auch gegen Hollenstedt pfeifen kann. Liegt in seinem Bereich und es verspricht eine interessante Partie zu werden. Vielleicht sieht man sich wieder. In dieser Form freuen wir uns auf jeden Fall auf Hammer Lehmann und seine Truppe mit Harz. Aber auch davor wollen wir natürlich keinen Gegner unterschätzen. Nächste Woche steht erstmal das Derby gegen Empelde vor der Tür. Derbys haben immer ihre eigenen Gesetze und wir sind gewarnt. Wir bleiben also auf der Hut und voll konzentriert. Am Abend schaue ich auf meine Socken. Ich glaube ich ziehe jetzt erstmal zu den Spielen immer meine Fastfood-Socken von Happy Socks an. Aberglaube halt.
Für DIE Golden Girls spielten: Jolina (Tor/22 Paraden), Vanessa (10), Lotti (7), Rike (5), Neomi (4), Sarah (3), Jule (3), Hannah (1), Gidsel (1) und Ida.