Von Torben Weschen
Das Harz am rechten Fleck
Es hatte sich angedeutet. Auf dem Zeitnehmerkurs wurde es angekündigt. Ab der Landesliga B-Jugend darf mit „Harz“ gespielt werden. Harz, das Zauberwort, dass in Teilen der Golden Girls für Gänsehaut sorgt. Zärtlich geflüstert, laut gebrüllt, leicht gehaucht oder undeutlich genuschelt. Egal wie ausgesprochen. Sofort wird aus dem leichten Glimmen, ein Flackern in den Augen. Für manche gleichzusetzen mit dem Klebstoff, der das Leben zusammenhält und erst Lebenswert macht, für andere (mich) einfach nur eine eklig, klebrige Pampe. Harz, Patte oder Backe. Viele Worte bedeuten Rom. Als dann die Nachricht die Runde machte, dass der kommende Gegner in den Heimspielen tatsächlich mit Patte spielt, wandelt sich der Traum in Realität. Das Ergebnis von Eyendorfs erstem Heimspiel lässt auf einen, nicht unerheblichen Heimvorteil schließen. Mit +13 wurde Empelde regelrecht aus der Halle geschossen. Um nicht ganz chancenlos zu sein, wurden schnell noch zwei Trainingseinheiten mit der „Göttergabe“ eingeführt. Schnell wurde klar, dass es ein anderes Passen und Werfen ist. Zusätzlich zu dem, dass es eklig ist, die Bälle zu berühren. Doch den Mädels macht es Spaß und so sind sie den großen Idolen noch ein Stück näher. Auch wenn sich bei manchen kleine Blasen an den Fingern von der ungewohnten Belastung gebildet haben. Wird halt im Spiel abgeklebt.
Der große Tag rückt näher. Lotti ist weiter verletzt und da mit Leni und Ida zusätzlich zwei Spielerinnen, durch familiäre Verpflichtungen ausfallen werden Doaa und Lorena nachnominiert. Des Weiteren macht Sarah ihr erstes Spiel für die B I. Tags zuvor hat sie ihr Debüt bei der C-Jugend gegeben und gleich fünf Tore erzielt. In der B I ist sie eigentlich im Tor eingeplant, da aber Jolina ihre Sache in den bisherigen Spielen sehr gut gemacht hat, wird ihr auch gegen Eyendorf das Vertrauen geschenkt. Los geht es also am frühen Sonntagmorgen. Da das Spiel im 11 Uhr terminiert ist und die Reisezeit mit bis zu zwei Stunden eingeplant werden muss, ist Abfahrt um 8 Uhr. 8 Uhr auf einem Sonntag… Gääähn. Wobei diese frühe Zeit natürlich auch einen großen Vorteil hat. Eben 8 Uhr an einem Sonntag. Die Straßen sind recht leer und es lässt sich gut fahren. So kommen wir frühzeitig, sogar vor dem Heimteam, in der Halle an. Sie ist mit Werbebannern behängt und man sieht sofort, dass man sich in einer Handballhochburg befindet. Der Boden in der Halle ist recht stumpf und die Spuren zeigen den regelmäßigen Einsatz von Patte. Wir werden nett begrüßt und der Gegner stellt uns einen Einkaufswagen mit klebrigen Bällen zur Verfügung. Dazu eine Dose mit dem geliebten Klebstoff. Boah, wie im Fernsehen. Schon irgendwie cool. Das Warmmachen geht so. Die Streuung ist recht hoch. Aber der Blick auf die andere Hallenseite zeigt dort ein ähnliches Bild. Manche kommen gut damit klar, andere weniger. Doch Angst will dann nun wirklich nicht aufkommen. Im Gegenteil. Die Zuversicht wächst, dass, trotz dem Heimvorteils etwas mitgenommen werden kann. Die Trainerin gibt unumwunden zu, dass sie ein wenig auf diese Heimstärke setzen, auch wenn es auswärts dann etwas schwieriger wird. Aber der eigentliche Grund ist die Vorbereitung auf das Wechseln in das Damenteam, welches auch mit Harz spielt. Doch nun genug den zähen Beginns. Los geht es.
Eyendorf hat Anwurf. Die Abwehr steht eigentlich ganz gut und der erste Wurf auf das Tor ist aus der zweiten Reihe, schlägt aber trotzdem etwas unglücklich ins Netz ein. Kein guter Anfang. Keine Minuten später ist es wieder Josephine, die das 2-0 erzielt. Man sieht unserer Truppe an, dass ihr das Passen schwerfällt. Auch die Abwürfe von Jolina sind nicht wirklich genau. Endlich kommen wir mal durch und können nur durch ein Foul gestoppt werden. 7-Meter. Rike, die sich, in der letzten Zeit vom Chancentod beim 7-Meter zur absoluten treffsicheren Bank entwickelt hat, verzieht völlig. Wahrscheinlich soll der Wurf ein leichter Aufsetzer werden, aber er bleibt (klebt) zu lange an der Hand, trifft weit vor dem Tor auf den Boden und fliegt weit drüber. Oh oh. Immerhin steht die Abwehr jetzt besser und auch Jolina hält den ersten Ball. Endlich, nach vier langen und bangen Minuten kann sich Lara frei machen und einen Treffer erzielen. Nur noch 1-2. Kollektives Aufatmen aller HSG-Anhänger. Die Wennigser Mauer wird von der Patte noch mehr zusammengehalten und zwei schnelle Treffer von Neomi sorgen tatsächlich für die Führung der Golden Girls. 3-2. Jolina kommt immer besser ins Spiel und entschärft sogar einen 7-Meter. Als Rike nach gut 7 Minuten das 4-2 für uns erzielt, zieht die Gästetrainerin entnervt ihre Auszeit. Das hatte sie sich wohl anders vorgestellt. Aber noch ist ja nichts passiert. Zwei Treffer sind beim Handball nichts. Doch die Wennigser Mauer steht. Mit einer unglaublichen Teamleistung schaffen sie es, den Vorsprung immer weiter auszubauen. Wenn hinten dann doch mal ein Ball durchkommt, fischt Jolina einfach alles weg. Einzig mit einem 7-Meter ist sie zu überwinden. Bis zur Pause werden es unglaubliche 12 Paraden sein. Hinten kleben die Bälle quasi an Jolina fest und vorne treffen Rike, Jule, Gidsel und Neomi. Nur Hannah ist ein wenig gefrustet, als sie einen freien Wurf vergibt und ihre gute Leistung nicht krönen kann. Kurze Zeit später kann sie zwar doch noch einen Treffer erzielen, greift bei einer Abwehr aber trotzdem noch etwas hart zu, was ihr eine Verwarnung einbringt. Immerhin hat sie mit ihrem Tor aber einen tollen 5-0 Lauf abgeschlossen. So steht es plötzlich 10-3 für die Golden Girls nach 20 Minuten. Diesen Torfluss unterbrechen die guten Schiedsrichter aber mit einigen engen und harten Entscheidungen, so dass in den fünf Minuten vor der Pause nur noch der 4-10 Anschlusstreffer für Eyendorf fällt. Pause! 25 fulminante Minuten liegen hinter uns.
Seltsam war, dass auch die Eyendorferinnen irgendwie Probleme mit dem Harz zu haben schienen. Darüber wundert sich auch unsere Truppe, aber die Stimmung ist gelöst. Natürlich. Nur Hannah schaut noch ein wenig aus der Wäsche, als wäre sie in den Pattetopf gefallen. Erst nach ein paar auflockernden Sprüchen, legt sie ihren Mister Hyde ab und kann wieder lächeln. Gut, dass wir sie haben. Jolina bekommt ob der 12 Paraden noch einen Sonderapplaus und dann geht es an die Analyse. Sven entschuldigt sich bereits im Vorfeld, falls er sich zu stark aufregt, aber er meint es ja nicht böse. Landesliga ist ja schließlich nur Spaß in diesem Jahr.
Hannah`s neue Lockerheit macht sich auch gleich bezahlt. Sie schließt gleich den ersten Angriff erfolgreich ab und es steht 11-4 für die Golden Girls. Also alles im Flow. Dann spielen sich leicht sonderbare Szenen ab. Rike, die alles überragende Akteurin aus dem Spiel gegen Luhdorf, wurde schon in Halbzeit eins recht eng gedeckt, so dass sie „nur“ drei Tore erzielen konnte. Für Halbzeit zwei hat sich Coach Köster also eine schöne Variante ausgedacht. Wenn schon eng gedeckt, dann kann die Abwehr auch ein wenig auseinandergezogen werden. So kam es, dass Rike befohlen wird, sich an der Mittellinie aufzuhalten und zu schauen, was die Gegenspielerin macht. Wie erwartet, steht sie weiter dich bei ihr. So stehen sie zusammen minutenlang an der Mittellinie und nehmen quasi nicht am Spiel teil. Mit jeder Sekunde merkte man mehr, wie es in Rike arbeitet Das mag sie gar nicht. Aber diese persönliche Deckung ist das größte Kompliment, was man ihr machen konnte. Der Respekt muss riesig gewesen sein. Schon vorher war klar, dass alle schauen werden, wer die Nummer 12 ist. HM12! Die Marke, in die auch erfahrene Vermögensberater investieren würden. In dieser Zeit zeigte sich dann aber eindeutig, dass wir kein „One Women“ Team sind. Es werfen halt andere die Tore. Hannah, Neomi und Jule können den Gegner auf Abstand halten. Das Spiel wird zwar etwas zerfahrener und die technische Fehler häufen sich wieder ein wenig, der Vorsprung beträgt aber immer mindestens vier Tore. Gott sei Dank ist aber auch beim Heimteam der Klebstoff nicht in jeder Sekunde der Freund. In Minute 35 steht es 14-9 für uns. Zu der Zeit hat Sven dann auch genug von seinem Experiment und lässt Rike wieder am Spiel teilhaben. Teilweise spielt sie nun auf Außen, was sie aber nicht davon abhält, gleich wieder einen Treffer zu erzielen. Beim Zwischenspurt schafft Eyendorf zwar ein paar schöne Spielzüge und es kommt kurzfristig die Angst auf, dass es nochmal knapp wird, aber als es in Minute 42 eine Zeitstrafe für das Heimteam gibt und Sarah den fälligen 7-Meter zum 17-11 verwandelt, ist das Spiel entschieden. Wahrscheinlich auch für Sven, aber die Schiedsrichterin muss ein paar Mal mit ihm sprechen, um ihn ein wenig auf den Boden zurückzuholen. Keine Angst Schieri, Sven will nur spielen 😉 Nur einmal muss man sich ein wenig Sorgen machen, als er nach einer vergebene Chance wie ein wildgewordenes Wiesel an der Bank entlangläuft und ein Opfer sucht. Ein wenig Dampf muss wohl abgelassen werden. Ein, auf dem Boden liegendes Taschentuch kann nicht rechtzeitig ausweichen und wird elegant unter die Bank gekickt. Alles wieder gut. Das war der Aufreger, für den Sven sich bereits im Vorfeld entschuldigt hat. Es geht ja nicht mehr unbedingt um das Ergebnis, da aber wieder mal grundlegende Dinge im Angriff vergessen werden, muss das halt erwähnt werden dürfen. Aber guter Schuss Sven! Nach weiteren Toren durch Sarah, Gidsel, und Rike steht es mittlerweile 20-12 und es geht nur noch um den Spaß. Ein paar Tore fallen noch und Hannah darf den Schlusspunkt zu, 22-14 setzen.
Ein riesiger Stein ist allen von Herzen gefallen und der obligatorische Siegerkreis kann auch endlich wieder bei einem Auswärtsspiel gebildet werden. Ein besonderer Dank gilt auch Doaa und Lorena, die kurzfristig mit auf die lange Reise gekommen sind, wohlwissend, dass sie evtl. nicht so viel Spielzeit bekommen. Beide konnten ihre Erfahrungen sammeln und bald wird bestimmt etwas Zählbares dabei rauskommen. Alissa konnte dieses Mal leider nicht so viel auf der Platte stehen, sie hatte ein wenig Trainingsrückstand und man merkte ihr an, dass ihr die Trainingseinheiten mit der Patte gefehlt haben. Aber sie war da, als sie gebraucht wurde und wenn in einer Situation nicht so früh agbepfiffen worden wäre, hätte auch sie einen Treffer erzielt. Auch wenn man besonders bei den Spielerinnen von Eyendorf sieht, dass sie sich mehr erhofft oder gar mehr erwartet hatten, so war es doch die ganze Zeit eine nette Atmosphäre und ein sportlich fairer Umgang. Danke dafür.
Die Heimfahrt wird noch kurz von einem kleinen Siegeressen beim Goldenen M unterbrochen. Nicht nur die Reise, auch die Euphorie wird unterbrochen, da festgestellt wird, dass ein mobiles Endgerät abhandengekommen ist. Die Ortung des Erziehungsberechtigten ergibt schnell, dass das Handy anscheinend noch ein wenig in der Halle in Eyendorf chillt. Hat wohl vor lauter Feiern die Zeit vergessen. Oder hatte die, dazugehörige Spielerin sich schon so sehr an das Harz gewöhnt, dass sie dachte, das Handy bleibt an der Hand kleben? Wir werden es nicht erfahren. Dank den neuen, sozialen Medien landet aber schon kurz nach der Ortung eine erlösende Sprachnachricht der Eyendorferinnen auf dem Instagramm-Account der Golden Girls und verkündet, den Fund eines Handys. Puh, Glück gehabt und ehrliche Finder. Danke auch nochmal dafür. Hat eine Menge Ärger erspart. So ging es dann vom Feinschmeckerrestaurant, für ein Auto, nochmal zurück nach Eyendorf. Ärgerlich, aber so ist wenigstens der nächste Kuchen gesichert. Der wird dann am Mund kleben, wenn mit vollen Genuss reingebissen wird. Auch eine klebrige Angelegenheit.
Ende gut Alles gut.
Für die Golden Girls klebten: Jolina (Tor), Neomi (6), Rike (5), Hannah (4), Gidsel (3), Sarah (2), Jule (2), Alissa, Lorena und Doaa